Kategorie: #DigitalMondayBlog

Gründlich. Digital. Gebildet.

Mit den Worten von Käte Mayer Drawe, emeritierte Erziehungswissenschafterin der Ruhr-Universität Bochum, eines gleich vorweg: „Der virtuelle Raum bleibt von leiblichen Wesen grundsätzlich unbewohnbar.“ Damit ist auch der Stand der internationalen Entwicklung in kürzester Form umrissen. Es steht außer Frage, dass Bildung weiterhin im besonderen Maße ein Beziehungsgeschehen ist und dass es auf die Lehrerinnen und Lehrer und ihre „Kunst“ ankommt, damit Unterricht gelingt. Das Zerrbild des Computers, der die Lehrpersonen überflüssig macht, wurde vielerorts und in vielerlei Hinsicht immer wieder als das entlarvt, was es ist: nämlich als – manchmal auch bewusst polemisch eingesetztes – Missverständnis oder Karikatur. Wenn im Rahmen des Education World Forums in London Anfang 2017 der Moderator der Veranstaltung meinte, „A teacher, who can be replaced by a computer, should be!“, [[I]] dann entspringt diese Ironie genau dem Wert, den die pädagogische Profession eigentlich hat.

Thomas Nárosy

Ebenso steht mittlerweile außer Frage, dass die Entwicklung und Vermittlung digitaler Kompetenzen eine unverzichtbare Verantwortung der Schule darstellt – digitale Demenz-Dystopien hin oder her. Die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung und ihren Möglichkeiten und Gefahren ist wesentlicher Teil der allgemeinen genauso wie der beruflichen Bildung. Die Beantwortung der damit verbundenen Fragen ist aber „work in progress“. Nein, man kann sich dem Digitalen nicht länger entziehen. Ja, der Stein der Weisen ist noch nicht gefunden; man muss schon auch mitforschen und -suchen. Aber egal in welche Studie man blickt: Ohne „Digitale Inklusion“ geht nichts.

Digitale Grundbildung – ein vorbildliches Beispiel, wie aus der guten Praxis der Communities Verbindlichkeit für alle entstehen kann

Mit der Einführung der Verbindlichen Übung „Digitale Grundbildung“ mit Herbst 2018 an der Sekundarstufe 1 (5. bis 9. Schulstufe) mit zwei bis vier Jahreswochenstunden [[II]] wurde ganz sicherlich ein Meilenstein im österreichischen Schulwesen gesetzt. Ein eigenes, flächendeckendes und verbindliches Fach erschien noch vor zwei Jahren vielen völlig undenkbar; zu dieser Entwicklung hat der internationale Trend sicherlich seinen Teil beigetragen. Ausdrücklich positiv erwähnt werden sollte, dass Einführung und Umsetzung des Faches ganz an der guten Praxis der Communities in den letzten Jahren ansetzt. Also kein Wegwischen von Bewährtem, sondern eine Weiterentwicklung in einen „next level“. Vorbildlich!

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, der Stadtschulrat für Wien bzw. die Landesschulräte sowie die Pädagogischen Hochschulen unterstützen die Schulen bei der Einführung des Faches mit einer Fülle an Maßnahmen und Angeboten. Die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben obliegt den jeweiligen Schulstandorten. Darin liegen besondere Chancen, aber auch möglicherweise besondere Herausforderungen.

  • Wenn eine Schule auf schulautonome Ausgestaltung verzichtet, dann kommt ein „Default-Szenario“ zum Einsatz: Nämlich die fachintegrative Realisierung der „Digitalen Grundbildung“ im Ausmaß von je einer Jahreswochenstunde in den Schulstufen 6. und 7. Konkret: Verteilt auf möglichst viele Gegenstände (und Lehrpersonen) müssen in diesen beiden Schulstufen jeweils 32 Unterrichtseinheiten stattfinden, die in Summe den Lehrplan abdecken.
  • Schulautonom steht so gut wie jedes Szenario offen; die Erfahrung der letzten Jahre lehrt, dass ein auch im Stundenplan ausgewiesener „Basiskurs“ im Ausmaß von zumindest einer halben Jahreswochenstunde gleich auf Schulstufe 5. äußerst empfehlenswert ist. Die verbleibenden Jahreswochenstunden können definiert oder integrativ auf alle anderen Schulstufen der Sek 1 aufgeteilt werden.

 

Inhaltlich umfasst die „Digitale Grundbildung“ drei übergeordnete Kompetenzfelder: Digitale Kompetenz, Medienkompetenz sowie politische Kompetenz. Der Lehrstoff teilt sich auf die acht Kompetenzbereiche # Gesellschaftliche Aspekte von Medienwandel und Digitalisierung # Informations-, Daten- und Medienkompetenz # Betriebssysteme und Standard-Anwendungen # Mediengestaltung # Digitale Kommunikation und Social Media # Sicherheit # Technische Problemlösung # Computational Thinking auf, die die Lehrplanverordnung nochmals weiter detailliert. [[III]]

Die Verordnung der „Digitalen Grundbildung“ hat merkbare Aufmerksamkeit und Aufbruchsstimmung mit sich gebracht. Die Botschaft ist angekommen, dass es jetzt tatsächlich um „alle“ geht. Großes Augenmerk muss in der Begleitung und Evaluierung der „Digitalen Grundbildung“ sicherlich darauf gerichtet werden, dass es nicht bloß zu einem Abhaken von neuen, zusätzlichen Listen kommt und damit das Anliegen zu einer „administrativen Übung“ verkommt, sondern dass am Ende tatsächlich umfassend und gründlich digital gebildete und kompetente Schülerinnen und Schüler die Sekundarstufe 1 verlassen. Vielleicht fasst sich die Republik ja ein Herz und nimmt nach den ausgelassenen ICILS-Studien 2013 und 2018 am nächsten Durchgang teil?

[[I]] Dykes, G. (2017): Zitat aus einer Videokonferenz als Auftakt zum Education World Forum, London, am 22.1.2017. https://tn-bildungsinnovation.com/2017/01/23/preparing-students-to-succeed-in-the-4th-industrial-revolution/ (Abruf: 30.4.2018)

[[II]] Alle Details: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/schule40/dgb/index.html (Abruf 1.5.2018)

[[III]] Vgl. https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/II/2018/71/20180419 (Abruf 1.5.2018)

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Thomas NÁROSY, BEd MBA MAS Selbstständiger Vortragender, Autor, Moderator, Projektmanager und Bildungsinnovations-Berater. (Lehramts-)Studien an der Technischen Universität Wien, Universität Wien, Donau-Universität Krems, Pädagogischen Hochschule Baden und Wirtschaftsuniversität Wien. Seit 1998 Jahren mit dem Thema der „digital-inklusiven“ Bildungsinnovation befasst. Zuletzt gemeinsam mit der PH Wien und IT-Industrieunternehmen das Future Learning Lab Wien aufgebaut. Webseite: https://tn-bildungsinnovation.com/

 

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