Kategorie: #DigitalMondayBlog

Jenseits der Utopie: Die Chancen, die wir (bis jetzt) nicht sehen.

Die urbane Ära1 begann bereits vor mehr als einem Jahrzehnt und sie schreitet mit atemberaubender Geschwindigkeit voran. Bis 2050 sollen  bereits bis zu 66 Prozent der Menschen in Städten leben2. Parallel zu dieser Entwicklung beobachten wir eine zunehmende Technologisierung der Städte. Der Einsatz von Sensoren, Big-Data und intelligenten Systemen durchdringt als neue, digitale Ebene die Städte. Diese Technologien sollen die Städte effizienter und lebenswerter machen, also schlauer – zumindest ist dies das große Ziel, wofür Smart Cities stehen.

Juan Carlos Carvajal Bermúdez

Die Herausforderung auf dem Weg dorthin ist, dass die Städte und ihre Einwohner im Umgang mit diesen neuen Technologien oft unsicher sind, Ängste entstehen und bedrohliche Szenarien im Raum stehen. Jede und jeder hofft, dass Technologien bessere Lebensbedingungen für die Städte und ihre Bewohner schaffen – die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen, die in diesen Städten leben, werden aber nicht immer ausreichend rezipiert. Und die Geschichte zeigt dies, etwa anhand (gescheiterter) Utopien, wie etwa das Beispiel der Top-down-Stadtplanung zeigt, die oft in der Hoffnung angewandt wurde (und wird), dass monumentale Straßen und riesige, aber isoliert geplante Wohnhäuser eine bessere Lebensqualität für die Bürger bedeuten würden. Satelliten- und Schlafstädte waren und sind die Folge. Mit dem Smart City Ansatz stehen wir nun vor einer neuen Utopie – und der Hoffnung, diesmal alles besser zu machen?

Ein Beispiel: Eine Kamera, die den Fahrradverkehr verbessern soll, kann eventuell einen Radfahrer in der Nacht nicht erkennen. Der korrespondierende Sensor zur Verbesserung des Autoverkehrsflusses funktioniert möglicherweise nicht, wenn der Autofahrer kurz vor der Reichweite des Sensors anhält. Sowohl der Radfahrer als auch der Autofahrer können nun lange darauf warten, dass die Technik ihr bevorstehendes Problem „magisch“ löst: die Ampel wird niemals grün werden. Haben hier die Menschen oder die smarten Sensoren versagt? Es stellt sich die kritische Frage: Ist das wirklich smart oder sind wir oft einfach nur von der Innovation geblendet?

 

 

Und doch gibt es viele Chancen, die wir nicht verpassen sollten. Wir können mittels der neuen Technologien z. B. Menschen beibringen, wo und wie man Baumstandorte plant, wie man einen Gemeinschaftsgarten gestaltet, wo und wie man ein Parklet baut. Und bei der Planung von neuen, so notwendig gebrauchten Fahrradwegen – damit der Umstieg vieler aufs Fahrrad auch ein nachhaltiger wird. Technologie kann Städte radikal verändern, wir müssen nur in Zukunft einen etwas anderen Weg einschlagen, indem wir z. B. die Art und Weise verändern, wie die Menschen ihre Stadt besser kennen und verstehen lernen, ihnen technische Werkzeug an die Hand geben, damit sie auch tatsächlich aktive Beiträge leisten und ein aktiver Teil ihrer Stadt werden können. In anderen Worten: Anstatt zu versuchen, den menschlichen Faktor durch weitere Automatisierung zu ersetzen, müssen wir in Zukunft sicherstellen, dass Technologien tatsächlich mit den und für die BewohnerInnen entwickelt werden.

Werkzeuge und Anleitungen dafür gibt es schon. Wir wissen, wie man die Komplexität der Stadtverwaltungen mit den unterschiedlichen Erwartungen der BürgerInnen in Einklang bringt. Wir wissen, wie man komplexe Vorschriften abbildet und zugänglich macht. Wir wissen, wie man einen besseren Informationsfluss zwischen BürgerInnen, Stakeholdern und PlanerInnen erreichen kann. Wir können große Datenmengen verwalten, damit Menschen die richtigen Informationen bekommen, um über zukünftige Entwicklungen in ihrer Umgebung mitentscheiden zu können. Kurzum, wir schlagen eine neue Welle stadtgestalterischer (City-Making) Technologien vor, die die Dynamik zwischen Bürgern, Verwaltungen und öffentlichen Räumen verändern wird.

Am Austrian Institute of Technology arbeiten wir leidenschaftlich an diesen Co-Creation Technologien für Städte. Projekte wie smarticipate oder die CityMaking.Wien App weisen den Weg in die Zukunft. Es ist Zeit, dass die Ampel dafür endlich grün wird.

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Juan Carlos Carvajal Bermúdez ist ein unabhängiger Interaction Designer und Doktorand am Austrian Institute of Technology. Seine Doktorarbeit befasst sich mit neuen Methoden der Bürgerbeteiligung. Seine Masterarbeit beschäftigte sich mit Kunst im öffentlichen Raum und der Beteiligung von Gemeinschaften an der Entwicklung ihrer Umwelt. Er hat am Ars Electronica Festival in Österreich, der Media Architecture Biennale in Dänemark und dem Media Architecture Summit in Beijing, teilgenommen. In Wien war er an der Gestaltung und Installation einer Medienfassade für die Präsentation von Videokunst und interaktiven Installationen beteiligt. Mit dem Projekt „Cicloscopio“ gewann er einen Jurypreis in den Velocity cicling visionary awards 2013.

1 Fachbegriff für den Fakt, dass mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit in Städten leben

2 https://esa.un.org/unpd/wup/publications/files/wup2014-highlights.pdf

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